Dahrendorf
Maxdorf

Vitzke


2001 - 2002

F ür den Sommer 2oo1 war der Bau einer Fernwasserleitung durch die westliche Vitzker Flur geplant. Diese Trasse führte an einer 1894 entdeckten Fundstelle von Körpergräbern und eisenzeitlichen Urnen vorbei. Deshalb wurde im Herbst 2ooo ein Sondierungsgraben gezogen, der zwar keine Gräber anschnitt, aber zahlreiche Gruben, Pfostenlöcher und Steinpflaster mit vielen Scherben zum Vorschein brachte.
So wurden die Mitglieder des Vereins »Junge Archäologen der Altmark e. V.« vom damaligen Landesamt für Archäologie in Halle beauftragt, in einer 14-tägigen Grabung einen Abschnitt von 1o8 m Länge und 3 m Breite zu untersuchen.
Das Ergebnis war sehr überraschend: eine Siedlung mit einem handwerklichen Bereich und einem flach eingetieften Grubenhaus – dem Wohnhaus eines Handwerkers. Hier war vor gut tausend Jahren das Hämmern eines Schmiedes zu hören.

Schmiedbares Eisen

In dieser Zeit war es üblich, das hier in der Altmark anstehende Raseneisenerz in kleinen Rennöfen zu verhütten. Dieser Bereich konnte in Vitzke nicht nachgewiesen werden. Das bereits gewonnene Eisen (Luppe) musste weiter bearbeitet werden, um es schmieden zu können. Das geschah in grubenartigen Essen. Von der Werkstatteinrichtung des Schmiedes konnten vorwiegend diese Essen in Form von kleinen Gruben mit Rollsteinen, Lehmresten, Holzkohle und Schlackeresten freigelegt werden.
In einem Fall fand sich eine typische Kalottenschlacke (112o Gramm) noch in Originallage. Sie hat eine rund-ovale Form, eine flache, etwas eingedellte Oberfläche und eine gewölbte Unterseite. Diese Kalottenschlacken entstehen aus dem Abbrand des zu bearbeitenden Eisenwerksstücks, der Holzkohle und aus Teilen der Herdkonstruktion. Mit Blasebälgen wurde ein starkes Herdfeuer für die Bearbeitung des Roheisens entfacht. Die übrigen Schmiedeschlacken waren häufig blasig, geschichtet oder auch glasartig. Im Bereich dieser Essen zeigten sich verschiedene Pfostenlöcher, die darauf hinweisen könnten, dass hier einst Pfosten eine Dachkonstruktion trugen.

Die Schmiede

Einen weiteren Befundkomplex bildete ein größeres Gebäude mit einer Lehmtenne und einer großen Herdstelle, die aus zerschlagenen Rollsteinen gefertigt war. Letztere waren von einer schwarzen Asche- und Holzkohleschicht umgeben. Im Herdbereich fanden sich zahlreiche Scherben, Knochen und kleine Metallpartikel.
Es handelt sich vermutlich um eine Schmiedewerkstatt, in der das an den Essen vorgeschmiedete Eisen weiter bearbeitet wurde, so dass daraus eine Axt, ein Messer oder ein anderer Gegenstand entstand. Die vielen durch einen Metalldetektor nachgewiesenen Metallteilchen, die durch den Hammerschlag beim Schmieden entstehen, beweisen dies. Die Scherben und Knochen rühren jedoch sicherlich daher, dass auf diesem Herd mitunter auch Essen zubereitet wurde.

Wohnhaus eines Schmiedes

Ein dritter Befundbereich war ein ca. 3 m x 5 m großes Grubenhaus, das mit Sicherheit nur Wohnzwecken diente. Es zeigte keine Arbeitsspuren eines Handwerks. In einer flachen Grube waren jeweils drei Seitenpfosten eingegraben. Diese und je ein Firstpfosten trugen die Dachkonstruktion.
Ein Gräbchen an der Ostseite des Gebäudes deutet auf Flechtwände hin, die mit Lehm verstrichen waren, denn Hüttenlehm bzw. Lehmbewurf wurde ebenfalls geborgen. In der Nordwestecke des kleinen Hauses lag eine Feuerstelle, die rötlich verfärbten Sand und Herdsteine aufwies. Zwei Pfostenlöcher an der Nordostecke lagen außerhalb des Hauses und markierten einen überdachten Eingang. Die in einem Pfostenloch geborgene Holzkohle bewies die Verwendung von Eichenholz für die dachtragenden Elemente. Als besonderer Fund wurde im Hausinneren eine Knochennadel mit durchlochtem Kopf entdeckt.

Weitere Siedlungsreste

2oo2 wurde im weiteren Trassenverlauf ein anderer Bereich des Dorfes erfasst. Neben vielen Pfosten ebenerdiger Bauten konnten drei Grubenhäuser untersucht werden. Zwei Gebäude besaßen eine Grundfläche von ca. 3mx5m und entsprachen dem bereits im Vorjahr dokumentierten Haus. Beide lagen dicht nebeneinander. Sie waren West-Ost ausgerichtet und als Acht-Pfosten- Bauten konzipiert. Die Hausgruben hatten eine unterschiedliche Tiefe. Beide Gebäude besaßen eine Ofenstelle aus zerschlagenen Rollsteinen. Eine starke Brandschicht in einem der Häuser, die mit Hüttenlehm durchsetzt war, deutet darauf hin, dass dieses einer Brandkatastrophe zum Opfer fiel. Unmittelbar daneben folgte der Neubau eines gleich großen Grubenhauses.
Daraus lässt sich folgern, dass Familien bereits bestimmte »Höfe« bzw. »Grundstücke« im Dorfverband besaßen. Das zahlreiche Scherben- und Knochenmaterial ist in beiden Gruben identisch. Über die Nutzung dieser Wohngebäude geben zahlreiche runde Webgewichte und ein Spinnwirtel Auskunft. Zu Bauzwecken (Ofen) genutzte Kalottenschlacken beweisen eine sekundäre Verwendung von Material der hier praktizierten Eisenverarbeitung.
Ein drittes Grubenhaus hatte eine Größe von 3,8 m x 5,6 m. Seine Konstruktion wies sieben Pfosten auf, die sich seitlich und im Osten des Ost-West ausgerichteten Hauses befanden. Der Westgiebel bestand augenscheinlich aus einer Feldsteinwand, die später in die ca. 1oo cm tiefe Grube kippte. Zwei Ofenstellen deuten auf die Nutzung des Gebäudes als »Backhaus« hin, was die wenigen Scherben und Knochenabfälle unterstreichen. Auch in dieser Hausgrube lagen Webgewichte, die auf Textilverarbeitung hinweisen.
Ähnliche Befunde der letzten Jahrzehnte aus Wismar, Rohrberg, Tychow, Hohengrieben und Hohendolsleben bilden deutliche Parallelen hierzu. Die Masse aller Scherben war unverziert, die wenigen verzierten Stücke datieren die Siedlung in das 1o. Jh. Es handelt sich dabei um Kammstrich- und Kammstichverzierungen mit einem zwei-, drei-, vier- oder fünfzinkigen Knochenkamm. Damit entstanden parallele Linien, Wellen oder Einstiche im feuchten Ton. Ähnliche Keramik kam auch in den oben genannten Fundorten vor. Es handelt sich hier um eine frühdeutsche Siedlung, deren Bewohner durchaus Kontakt zu ihren slawischen Nachbarn im Wendland pflegten.

Randscherbe mit Riefen- und Kreisaugenverzierung

doppelkonischer Spinnwirtel

Knochennadel

Kalottenschlacke (1120 Gramm)

Gefäßboden in Situ

Randscherbe

Grabungssituation: archäologische Voruntersuchung einer zukünftigen Versorgungstrasse

Mittelalterliches Grubenhaus mit Herdstelle

Randscherbe mit Riefen- und Kreisaugenverzierung

doppelkonischer Spinnwirtel

Knochennadel

Kalottenschlacke (1120 Gramm)

Gefäßboden in Situ

Randscherbe

Grabungssituation: archäologische Voruntersuchung einer zukünftigen Versorgungstrasse

Mittelalterliches Grubenhaus mit Herdstelle