Maxdorf
Dankensen

Osterwohle


1987 - 1995

A m 13. August 1987 entdeckte der Schüler Clemens Wettengel durch Zufall das erste Körpergrab eines sächsischen Friedhofes. Im selben Jahr begannen die Rettungsgrabungen, die bis zum Abschluss im Sommer 1995 insgesamt 3o2 Körpergräber, 16 lokalisierte und eine unbekannte Anzahl an zerstörten Brandschüttungsgräbern erbrachten.

Der Friedhof selbst liegt ca. 8oom nördlich des Ortes Osterwohle auf einer kleinen Anhöhe an einem ehemaligen Wasserlauf. Die Schulchronik von Osterwohle gibt für die Feldmark den Flurnamen »Wendenkirchhof« an, das historische Messtischblatt hingegen bezeichnet die Fundstelle »Pottenden«.

Zum historischen Hintergrund

Auf dem Grabungsgelände fanden sich neben den genannten Gräbern sächsischer Zeit Reste einer germanischen Besiedlung. Dazu zählen Abfallgruben, Pfostenverfärbungen, ein Ofen, Schlacke von Eisenschmelzen sowie typische Keramik, ein Spinnwirtel und eine Spiralfibel. Es scheint so, dass die hier lebende Bevölkerung den Siedlungsplatz aufgab und dieser später von den aus dem Norden vordringenden Sachsen erneut genutzt wurde. Sie legten in der Nähe des Friedhofes ihre Siedlung an und begruben ihre Toten zunächst nach heidnischem Brauch in Form von Brandschüttungsgräbern, die dann von Nord-Süd ausgerichteten Körpergräbern abgelöst wurden. Im Zuge der Christianisierung, die mit Sicherheit während der Sachsenkriege (772–8o4) Karls des Großen verstärkt einsetzte, breitete sich eine dichte West-Ost-Gräberfolge in Form von Reihengräbern aus.
Bereits 78o bewirkte der fränkische Kaiser die Einteilung der Missionssprengel, aus denen später die Bistümer entstanden. Der nördliche Teil der Altmark wurde dem Bistum Verden an der Aller unterstellt. Die politische Gliederung erfolgte im Reich Karls des Großen durch die Einteilung in Gaue. Zu diesen gehörte der 1o22 urkundlich erwähnte Gau Osterwalde, dessen Name mit dem heutigen Dorf Osterwohle identisch ist. Reste der alten Burg finden sich noch heute in Form von Wällen und Gräben auf dem Gelände des ehemaligen Gutshauses wieder. Da die Bestattungen spätestens im 1o. Jh. enden, gaben wohl die hier lebenden Sachsen ihr Dorf auf und zogen in den Schutz der Burg.

Zur Chronologie der Gräber
Stufe I: Brandschüttungsgräber

16 Brandschüttungsgräber konnten in Resten lokalisiert werden. Alle zeigten in der Holzkohlevermischung wenig Leichenbrand. Ein Teil der Gräber war bereits durch den Pflug zerstört worden. Die Anlage der Grabgruben für die Körpergraber tat ein Übriges. In 62 Grabfüllungen fanden sich Leichenbrandreste. Beigaben, Gefäße und Ausstattung der verbrannten Toten waren nicht nachweisbar. Ähnliche Befunde stammen aus einem sächsischen Gräberfeld bei Oldendorf. Zeitlich gehören die Brandgräber in das 7. Jh.

Stufe II: Körpergräber in Nord-Süd-Lage

Im 8.Jh. ändern sich die Grabsitten bei den Sachsen, anstelle der Brand- setzt nunmehr die Körperbestattung ein; das scheint auch die 14C-Datierung des Körpergrabes von Hohenböddenstedt zu bestätigen. 58 Nord-Süd orientierte Gräber verteilen sich in größeren Abständen über den gesamten Friedhof. Darunter ist ein durch eine größere Grabgrube und eine Zahnkonzentration nachgewiesenes Pferdegrab. Viele dieser Gräber sind mit Beigaben versehen. Alle Skelettreste (mit einer Ausnahme) blieben bei der Anlage neuer West-Ost orientierter Grabgruben erhalten und wurden nicht zerstört. Noch am Ende des
8. Jh., bestimmt jedoch zu Beginn des 9. Jh. enden die Bestattungen in Nord-Süd-Richtung.

Stufe III: Körpergräber in lockerer Folge in West-Ost-Richtung

Sie waren sehr ausstattungsreich: In vielen Gräbern fanden sich Schmuck und Kleidungszubehör. Gräber der Stufe II und III könnten im Familienverband angelegt worden sein. Darauf deuten z. B. die ausstattungsreichen Gräber 3o–37 hin; eventuell könnten auch die Gräber 29–31 noch zu dieser Familie gehören. Hinweise darauf geben die gleichartigen Millefioriperlen der Gräber 32–35, wobei Grab 33 noch ein Nord-Süd ausgerichtetes Grab ist. Diese Gräber sind in das 9. Jh. zu datieren.

Stufe IV: West-Ost orientierte Reihengräber

Besonders im nördlichen Randbereich des Gräberfeldes liegt eine Anzahl von West-Ost orientierten Gräbern in enger Folge als gut zu erkennende Reihengräber mit wenig oder ganz ohne Beigaben. Vermutlich handelt es sich um die jüngsten Bestattungen des Friedhofes, als unter christlichem Einfluss die Ausstattungssitte erheblich nachließ und schließlich gänzlich aufhörte. Damit könnten sie in das späte 9. bzw. in das frühe 1o. Jh. gehören.

Grabstruktur

Unter dem Mutterboden fanden sich bei 37 Gräbern Feldsteine, die ehemals oberhalb der Grabgrube die Gräber kennzeichneten. Sie wurden längs des Grabes parallel aufgestellt, bedeckten die gesamte Grabfläche oder standen am Kopf- bzw. am Fußende. Es ist zu vermuten, dass im Frühmittelalter alle Gräber eine solche Steinsetzung besaßen, die jedoch durch das Beackern der Fläche verloren ging.
Bei vier anderen Gräbern grenzten vier Pfostenverfärbungen den Bereich der Grabanlage deutlich ab. Hier ist ein Totenzaun oder ein Totenhaus zu vermuten. In einem dieser Gräber (264) fand sich der Rest eines Hoheitszeichens – eventuell ein Schulzenstab –, was auf den
»Dorfschulzen« schließen lässt.
In 4o cm Tiefe zeichneten sich deutlich die meist ovalen Grabgruben ab mit einer durchschnittlichen Länge von 2,2o m und einer durchschnittlichen Breite von o,85 m (ausgenommen die kleineren Kindergräber). Die Grubensohle befand sich in durchschnittlich 1,4om Tiefe. Das Füllmaterial der Gruben bestand aus Holzkohle, Artefakten, zahlreichen verzierten und unverzierten Scherben, Hüttenlehm, Schlacke, Leichenbrand und Einzelstücken aus der kaiserzeitlichen Siedlung: ein Spinnwirtel, eine Spiralfibel und eine Glasperle. Unter den vielen Steinen fand sich ein Stück einer zerbrochenen Mahlsteinplatte einer Reibmühle.
Als Sargform trat vorwiegend der Baumsarg auf (258 Gräber). Er war größtenteils manuell ausgehauen und nur in wenigen Exemplaren ausgebrannt, worauf Holzkohlereste hinwiesen. Nur in 16 Fällen konnten Kastensargkonstruktionen dokumentiert werden. Sie waren an den sich überschneidenden Brettern an den Sargecken und der Parallelität der Seitenwände gut auszumachen. Bis auf zwei West-Ost orientierte Gräber lagen alle anderen Kastensärge in Nord-Süd-Ausrichtung. Bei 28 Gräbern, meist Kindergräbern, war kein Sargrest mehr zu erkennen.
Die Sarghöhe (Unterteil) betrug durchschnittlich 25cm. Länge (1,7o–2,3om) und Breite (o,38–o,75 m) der Särge variierten je nach Größe der Toten. In 45 Baumsargbestattungen fanden sich Sargstützsteine, die das Umrollen des runden Baumstammes verhindern sollten. In zwei Fällen waren rechts und links des Sarges je zwei Steinreihen aufgestellt.
Die Toten selbst waren grundsätzlich in Rückenlage, die Arme seitlich und die Hände zur Beckenmitte hin liegend, bestattet worden. In einigen Fällen waren die Beine bei zu kurzem Sarg angewinkelt. Es kamen sowohl Nord-Süd als auch Süd-Nord orientierte Bestattungen vor. Bei den West-Ost ausgerichteten Gräbern lagen bis auf sehr wenige Ausnahmen die Schädel im Westen mit Blick nach Osten. Grab 99 war kreisrund angelegt und beinhaltete nur einen Schädel. Die Erhaltung der Skelette war aufgrund des kalkfreien Kiesbodens sehr schlecht.
Insgesamt war weniger als die Hälfte der Gräber mit Beigaben versehen. Hierzu gehörten Schmuck, Kleidungszubehör und Waffen: 63 Messer, 41 Gürtelschnallen, 1o Perlenketten, 8 Fibeln (darunter zwei Münzfibeln und eine silberne Vogelfibel), 6 einzelne Perlen, 5 Webgewichte, 3 Bronzeringe, 2 Nadelbüchsen, 1 Paar Schläfenringe bzw. Ohrringe, 1 Eisenspitze eines Hoheitsstabes und 1 Paar Stachelsporen.
Am häufigsten ist demnach die Beigabe eines Messers, das von Männern am Gürtel und von Frauen an einer Kordel getragen wurde. Die Perlenketten setzten sich vorwiegend aus einfachen Glasperlen und vielfarbigen Millefioriperlen zusammen. Die bunten Perlen stammen aus Alexandrien und haben eine weite Verbreitung über Europa und Asien. Die Osterwohler Funde entsprechen den Perlenketten von Ketzendorf, Oldendorf und Halberstadt-Wehrstedt. Die Kette aus Grab 33 wurde außerdem durch zwei Bernsteinperlen erweitert. Die Perlen waren einst auf eine vierfach gedrehte und gepechte Hanfschnur aufgefädelt.
Eine Münzfibel aus Grab 29 soll besonders herausgestellt werden, da sie für die Datierung des Gräberfeldes von Bedeutung ist. Es handelt sich um eine einseitige dünne Prägung von 25mm Durchmesser und einem Gewicht von o,54 Gramm. Kleine Ansatzstellen einer Nadel auf der Rückseite weisen darauf hin, dass das Stück auf dem Gewand befestigt war. Als Vorlage für diesen Münzschmuck diente ein Christiana-religio-Denar Ludwig des Frommen (814–84o), der als Reichsdenar eine weite Verbreitung fand. Der Avers dieser Münzen zeigt ein Kreuz mit vier Punkten in den Feldern und die Umschrift LUDOVVICU IMP; statt des IMP sind auf der Fibel nur vier Striche aufgeführt. Dieses Fundstück zählt zu den »bescheidenen« Nachahmungen karolingischer Münzen und ist bisher noch nicht nachgewiesen. Die Münzfibel bildet heute das Logo des Vereins.
Ein weiterer bedeutender Fund war eine Vogelfibel aus Silber mit einem Durchmesser von 3,4 cm aus Grab 16, einer Doppelbestattung von Mutter und Kind. Der Mutter war sym- bolisch der Sarg ihres Säuglings »in den Arm gelegt« worden, auf der Brust lag die kleine Vogelfibel.

Grab 16 Taubenfiebel aus getriebenen Silberblech

Münzfibel aus Grab 29

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Grab 257 Baumsargbestattung mit Stützsteinen

Grabungssituation 1991

Grab 115 Grabkennzeichnung einer West-Ost Bestattung

Grabkreuzung Nord-Süd und West-Ost Bestattungen

Grab 16 Taubenfiebel aus getriebenen Silberblech

Münzfibel aus Grab 29

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Perlen aus den Gräbern

Grab 257 Baumsargbestattung mit Stützsteinen

Grabungssituation 1991

Grab 115 Grabkennzeichnung einer West-Ost Bestattung

Grabkreuzung Nord-Süd und West-Ost Bestattungen