Hohenböddenstedt
Rohrberg

Wallstawe


1978 - 1985

V orgeschichte: 1923 wurde auf dem »Grützberg«, einer Ackerfläche des wüsten Dorfes »Tychow« bei Wallstawe, eine Kiesgrube angelegt. Beim Sandabbau fielen schwarze Verfärbungen mit vielen Steinen und menschlichen Skelettresten auf, die dem Verein für vaterländische Geschichte in Salzwedel gemeldet wurden, dessen Mitglieder die ersten Ausgrabungen durchführten. Dabei kamen einige Gruben und West-Ost ausgerichtete Gräber mit Glasperlen als Beigaben zum Vorschein. Lange Jahre blieb diese Fundstelle unbeobachtet, bis 1974 bei der Sandabfuhr eine bronzezeitliche Urne und ein frühmittelalterliches Grubenhaus entdeckt wurden. Das geplante Zuschieben der Grube und die genannten Funde führten seit 1976 jährlich zu mehrwöchigen Untersuchungen dieser Fundstelle, die überwiegend von den »Jungen Historikern« der Schulen Stöckheim und Kleinau sowie anderen Jugendgruppen und Bodendenkmalpflegern durchgeführt wurden.
Die Grabungen entlang des Kiesgrubenrandes belegten eine lange, mit Unterbrechungen versehene Siedlungstätigkeit von der Jungsteinzeit bis zur Entstehung der Wüstung »Tychow« im 15. Jh.

Bronzezeit/Eisenzeit

In die Bronze- und frühe Eisenzeit datieren zehn Gräber eines Urnengräberfeldes auf der Südseite der Kiesgrube, das teilweise durch frühmittelalterliche Grubenhäuser zerstört wurde. Die dokumentierten Bestattungen hatten sich zwischen den Hausbefunden erhalten. Es handelte sich entweder um Urnen mit Steinschutz, ohne Steinpackung oder um Leichenbrandgruben mit Steinsetzungen. Einem Grab war außerhalb des Gefäßes ein Bronzemeißel beigefügt, eine doppelkonische Urne enthielt einen bronzenen Armreif. Auf der nördlichen Grabungsfläche fanden sich vereinzelte eisenzeitliche Scherben, die allerdings keinem Befund zugeordnet werden konnten.

Römische Kaiserzeit

Die Römische Kaiserzeit war durch zwei Häuser vertreten: ein Zwei-Pfosten-Haus und ein Sechs-Pfosten-Haus auf der Nordseite der Kiesgrube; von letzterem erstellte R. Leineweber einen Rekonstruktionsversuch. Das Haus war Ost-West orientiert mit einer Herdstelle im westlichen Bereich. Es konnten drei Seitenpfosten an der Südwand und zwei Firstpfosten nachgewiesen werden. Die westlichen Seitenpfosten und der Mittelpfosten des Hauses waren nicht erkennbar. Die umfangreichen Scherbenfunde ge- statten eine genaue Datierung der Häuser in die Zeit des Übergangs von der älteren zur jüngeren Kaiserzeit Ende 2./Anfang 3.Jh.

Frühes Mittelalter

Die Befunde des frühen Mittelalters erstreckten sich über den gesamten Bereich der Sandgrube. Durch die Kiesabfuhr dürfte ein Großteil der ehemaligen Siedlungsreste zerstört worden sein. Am besten erhalten waren die Häuser auf der Nord- und Südseite des Grubenrandes: Grubenhäuser, Reste von Pfostenhäusern und viele Einzelfunde im Laufhorizont der Siedlung. Fünf Grubenhäuser wurden mit einer jeweiligen Tiefe von 1,oo m ergraben: Haus 1: 5,o m x ca. 2,5m, Haus 2: 4,5m x 2,om, Haus 3: 4,om x 2,5m, Haus 4: 5,om x 4,5m und Haus 5: 4,o m x 4,5 m. Die Pfostenkonstruktionen konnten nicht ermittelt werden. Größe und Aufbau der Häuser sind mit denen von Rohrberg, Vitzke und Hohendolsleben zu vergleichen. Durch die Tiefe der Hausgruben hatte sich in den Häusern 1 und 4 die Konstruktion der Kuppelöfen sehr gut erhalten, die aus zerschlagenen Rollsteinen in Trockenmauertechnik gefertigt waren. Dies trifft ebenso für die Öfen der Grubenhäuser der oben genannten Fundorte zu. In Wallstawe hatten die Öfen einen äußeren Durchmesser von 1,6 m und eine Brennfläche von o,6 m. Als Experiment wurden sie erstmalig von den Schülern nachgebaut und beheizt. Ebenerdige Pfostenbauten waren nur schlecht zu erkennen.
Zur Keramik der frühmittelalterlichen Siedlung schreibt Schneider (1993, 2o6): »Wenn auch die detaillierte Bearbeitung der Keramik noch aussteht, so scheinen doch schon jetzt zwei Keramikgruppen unterscheidbar zu sein. Die eine besteht aus überwiegend unverzierten eiförmigen Gefäßen mit gering ausgebildetem Rand, die andere aus teilweise verzierter Ware mit stärker ausgebildetem Rand. Beide müssen als Vorformen der Kugeltöpfe gelten. Die Ornamente bestehen aus Kammstrichen in horizontalen Wellenmustern, Stempelmustern, Radkreuz und linearen Gittermustern. Die Verzierungen entsprechen weit- gehend den in der früheren Literatur als charakteristisch für die mittelslawische Keramik bezeichneten. Wie sich aber inzwischen zeigte, tritt die waagerechte Welle weitaus stärker im Kontaktgebiet zwischen Slawen und Germanen bzw. in der Altmark stärker in germanisch-deutschen Bereichen als in ausgeprägt slawischen im Elbgebiet auf.«

Hoch- und Spätmittelalter

Zu den Befunden des hohen und späten Mittelalters zählen die Gräber des wüsten Dorfes Tychow, von dem selbst keine Siedlungsspuren entdeckt wurden. Der wahrscheinlich auch von Slawen besiedelte Ort wird erstmals 1375 im Landbuch Karls IV. erwähnt. Zu ihm gehörten acht Hufen Land. Letztmalig wird Tychow 1515 genannt; es war zu diesem Zeitpunkt bereits wüst. Die Tychower Feldflur wurde nach dem Wüstfallen des Ortes durch die Leetzer und Wallstawer Bauern genutzt. Der bis zum 19. Jh. bekannte Flurname »Wendische Kirchhöfe« weist auf den Friedhof des Dorfes Tychow hin. Da bereits 1925 die ersten Gräber durch Prof. Gädke entdeckt wurden, ist anzunehmen, dass der größte Teil des Friedhofes durch den Sandabbau vernichtet wurde und nur der Randbereich mit 47 Bestattungen dokumentiert werden konnte.
Die Gräber waren sehr unregelmäßig angelegt, es ließen sich keine Reihen erkennen. Nur die christliche West-Ost-Ausrichtung stimmte überein. Teilweise lagen die Schädel im Osten, überwiegend aber im Westen. Die Skelette selbst waren größtenteils sehr schlecht erhalten. Besonders auffällig war die Bestattung in Grab 3/1983: ein West-Ost ausgerichteter Hocker mit Blick nach Norden, der wahrscheinlich dem »Nachzehrerglauben« – einer Variante des Vampirismus, der noch bis Anfang des 2o. Jh. in der Altmark und im benachbarten Wendland bekannt war und »praktiziert« wurde – zum Opfer fiel. Der Archidiaconus Helms aus Lüchow schrieb 1831 zur Entstehung eines Nachzehrers: »Wenn ein Kind nach der Entwöhnung von der Mutterbrust nach den ersten 24 Stunden wieder die Brust erhält, so wird es später, wenn er als Erwachsener gestorben ist, ein Vampir oder ein Doppelsauger.« Wenn dieser nach dem Tode trotz verschiedener Vorkehrungen (Kreuzpfennig im Mund, Brett auf der Brust u. a.) Familienangehörige »nachholte«, so wurde er wieder ausgegraben und ihm der Kopf vom Rumpf getrennt – das scheint in diesem Fall geschehen zu sein. Parallelen sind aus der Archäologie bekannt.
Auffällig war die für diese Zeit ungewöhnliche Ausstattungsfülle. Interessant für die Datierung des Gräberfeldes sind Hohlpfennige, die den Toten als »Charonspfennig« mitgegeben wurden: Münzen des Markgrafen von Brandenburg, die in Salzwedel geprägt wurden, städtische Prägungen von Salzwedel und Münzen der herzoglich welfischen Münzstätte Lüneburg aus dem 13. und beginnenden 14. Jh. Hinzu kommen bronzene und eiserne Gürtelschnallen. Aus Grab 2b von 1982 stammen drei Münzen und drei Bronzeringe. Bemerkenswert sind einige Beerenohrringe, die auch 1841 in Drebenstedt und in Gräberfeldern des Wendlands gefunden wurden. Der Brauch, Gegenstände mit in die Gräber zu geben, hat sich hier offensichtlich bis in das 14. Jh. gehalten, wie es für slawische Bevölkerungsgruppen typisch ist. Es ist deshalb zu vermuten, dass bei Anlage der Siedlung Tychow (wohl im 12. Jh.) ein Anteil slawischer Siedler das Dorf bewohnte. Diese waren zwar zum Christentum übergetreten – das beweisen die West-Ost ausgerichteten Bestattungen – pflegten aber noch ihre traditionellen heidnischen Bräuche.

Gefäß der Römischen Kaiserzeit

Tiefstichkeramik

Jungsteinzeitliche Arthefakte

Spinnwirtel

Gürtelschnalle aus Bronze

Model eines Pfostenhauses

Grabung 1982

Grabungssituation 1979

Grabungsmannschaft 1979

Wasch- und Duschplatz 1985

Pausenversorgung 1985

Grabungsmannschaft vor der LPG-Küche in Wallstawe 1983

Küchenzelt 1980

Wasch- und Duschplatz 1980

WC 1979

Transport 1979

Gefäß der Römischen Kaiserzeit

Tiefstichkeramik

Jungsteinzeitliche Arthefakte

Spinnwirtel

Gürtelschnalle aus Bronze

Model eines Pfostenhauses

Grabung 1982

Grabungssituation 1979

Grabungsmannschaft 1979

Wasch- und Duschplatz 1985

Pausenversorgung 1985

Grabungsmannschaft vor der LPG-Küche in Wallstawe 1983

Küchenzelt 1980

Wasch- und Duschplatz 1980

WC 1979

Transport 1979