Über 50 Jahre Verein der Jungen Archäologen der Altmark


Die Geschichte

D er Verein „Junge Archäologen der Altmark e.V.“ ist aus der Arbeitsgemeinschaft der „Jungen Historiker“ der damaligen Oberschule Stöckheim hervorgegangen, welche bereits am 15. März 1972 durch den jungen Geschichtslehrer Hartmut Bock und einigen seiner damaligen Schüler mit dem Ziel gegründet wurde, die Bodendenkmalpflege in der Altmark voranzubringen. Schon sehr bald hat sich die Arbeit im Verein jedoch verselbstständigt und das Aufgabenspektrum ist erweitert worden, wird dann aber bis heute im Wesentlichen unverändert bedient:

  • Pflege, Säuberung und Kontrolle geschützter Bodendenkmäler
  • Durchführung von Notbergungen und Rettungsgrabungen
  • Flurbegehungen (Sicherung und Auffindung von Fundstellen)
  • Öffentlichkeitsarbeit (wissenschaftliche Vorträge, Grabungsführungen, Artikel, Publikationen)
  • Erforschung der altmärkischen Ur- und Frühgeschichte (Grabungen)
  • Fortbildung der Vereinsmitglieder (Vorträge, Tagungen, Exkursionen)

Bereits seit 1974 ist ein enger Kontakt zu der Arbeitsgemeinschaft der „Jungen Historiker“ in Kleinau gepflegt worden, welche von Otto Mewes ab 1968 geleitet wurde. Regelmäßig wurden von beiden Arbeitsgemeinschaften Vereinsaufgaben wie beispielsweise Ausgrabungen zusammen durchgeführt. Im Zuge der Wende war es dann naheliegend die beiden Arbeitsgemeinschaften „Junge Historiker“ zu vereinigen. So ist schließlich 1991 der Verein „Junge Archäologen der Altmark e.V.“ gegründet worden.


A m 3. April 1973 erschien in der Zeitung »Neues Deutschland – Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands« folgender Artikel von Edgar Lahmann, Schüler der 8. Klasse der Oberschule Stöckheim:

»An unserer Schule in Stöckheim, Kreis Klötze, besteht seit über einem Jahr eine Arbeitsgemeinschaft ›Junge Historiker‹, die von unserm Geschichts- lehrer geleitet wird. Wir, Schüler der 5. bis 1o. Klasse, haben uns die Aufgabe gestellt, die nähere Umgebung unserer Heimatdörfer und ihre historische Entwicklung zu erforschen. Anhand von Fundstücken weisen wir untergegangene Siedlungen aus der Zeit der Ur- und Frühgeschichte und des Mittelalters nach. Neben Flurbegehungen führen wir auch selbst Ausgrabungen durch. Z. B. im August 1972 in Hilmsen, Kreis Salzwedel, unter Leitung des Landesmuseums Halle. Vom Danneil-Museum Salzwedel, mit dem uns ein Patenschaftsver- trag verbindet, haben wir den Forschungsauftrag erhalten, eine Dokumentation über die Ergebnisse zusammenzustellen. Bei dieser Ausgrabung konnten wir dreizehn Urnen aus der vorrömischen Eisenzeit (75o–5o v. Chr.) bergen, denen wir in der Werkstatt des Museums unter Anleitung des Restaurators ihr ursprüngliches Aussehen verliehen. In Lichtbilder- vorträgen berichteten wir schon in vielen Orten von den Ergebnissen unserer interessanten und nützlichen Freizeitbeschäftigung.«

H eute, fünfzig Jahren nach der Gründung der ehemaligen Arbeitsgemeinschaft und des heutigen Vereins »Junge Archäologen der Altmark e. V.«, ist Edgar Lahmann Ehrenmitglied des Vereins und gestaltet das Vereinsleben immer noch aktiv mit.

Am 18.März 1972, dem Geburtstag von Johann Friedrich Danneil, wurde zwischen dem Daniel Museum Salzwedel und der Schülerarbeitsgemeinschaft unter Leitung von Hartmut Bock ein Patenschaftsvertrag abgeschlossen. Als junger Lehrer und ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger bat ihn Dr. Johannes Schneider, mit Schülern in der Bodendenkmalpflege tätig zu werden. Er übernahm begeistert diese Aufgabe und fand sofort großes Interesse bei vielen Kindern und Jugendlichen an seiner Schule in Stöckheim. Von Anfang an erhielten sie auch von Dr. Hermann Behrens und Dr. Dieter Kaufmann, den Direktoren des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle, große Unterstützung. Regelmäßig trafen sie sich an einem Wochentag für zwei Stunden nach dem Unterricht zunächst im Geschichtsraum der Schule oder im Gelände. Sehr bald begannen die Schüler, auf dem Dachboden der Schule – einem Bauernhaus von 188o – eine ehemalige Mägdekammer zum Arbeitsgemeinschaftsraum umzugestalten. Dieser Raum war ihr Domizil bis zur Wende. Die einstige Oberschule wurde zur Grundschule und die Schüler der oberen Jahrgänge kamen nach Jübar, wo nach und nach auf dem Dachboden der dortigen Schule durch die Vereinsmitglieder mit staatlicher finanzieller Unterstützung ein moderner Vereinsraum gebaut und eingerichtet wurde. Seit 2018 ist unser Verein in der alten Schule in Rohrberg - dem heutigen Rathaus ansässig.Unser Betätigungsfeld sollte die regionale Ur- und Frühgeschichte der nordwestlichen Altmark sein. Der Höhepunkt unserer Arbeit ist das jährliche 14tägige »Ausgrabungslager«. Während dieser Zeit, die vor der Wende in den Sommerferien der Schüler lag, dann als Projektwoche in den letzten beiden Schulwochen vor den großen Ferien stattfand und heute zur besseren Urlaubsplanung in den August verlegt wurde, werden größere Grabungsprojekte in Angriff genommen. In der Nähe der Ausgrabungsflächen wird das Zeltlager der »Jungen Archäologen« aufgeschlagen. Die Funde werden nach Abschluss der Grabung im Vereinsraum gewaschen und für die Fundmeldungen aufgenommen. Am Sonntag zwischen den beiden Ausgrabungswochen veranstalten die »Jungen Archäologen« jährlich eine kleine Exkursion in die Umgebung des jeweiligen Ausgrabungsortes.

A Abgesehen von den zweiwöchigen Sommergrabungen führen die »Jungen Archäologen« Notbergungen und Rettungsgrabungen durch, planen Flurbegehungen, um alte und neue Fundplätze abzusuchen, und pflegen die Bodendenkmale der näheren Umgebung, zu denen besonders die zahlreichen Großsteingräber zählen. In diesem Zusammenhang wurde mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle, dem Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel und dem Danneil-Museum in Salzwedel 2o11 ein archäologisch-historischer Wanderweg in der Feldmark von Lüdelsen eingerichtet, der auch von den Vereinsmitgliedern gepflegt wird.



E in weiteres Betätigungsfeld ist die Öffentlichkeitsarbeit. Hier sind besonders die öffentlichen Führungen während der Sommergrabungen zu nennen, die oft Hunderte von interessierten Besuchern anlocken. Dazu zählen nicht nur die Altmärker, sondern auch Archäologen sowie Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben wie die Landräte des Altmarkkreises Salzwedel oder der Kultusminister von Sachsen-Anhalt. Auch der Landesarchäologe Dr. Harald Meller schaute sich 2oo1 die Grabungen in Vitzke an. Es wird eine enge Zusammenarbeit mit der Presse gepflegt, die ständig über Grabungsergebnisse und Funde in den örtlichen Zeitungen berichtet. Daneben werden von den Schülern Vorträge über ihre Tätigkeit gehalten. Besonders wichtig sind die Publikationen als Aufsatz oder Monographie.

Z ur wissenschaftlichen Fortbildung nehmen jährlich Vereinsmitglieder an regionalen Veranstaltungen des Landes Sachsen-Anhalt teil oder fahren zu den Tagungen der archäologischen Verbände.

199o besuchten Otto Mewes und Hartmut Bock den Weltkongress der Archäologen in Bratislava und 1996 nahmen Sven Sternagel und Hartmut Bock am Weltkongress in Italien teil. Im Jahr 2oo6 lud der Verein »Junger Archäologen« den Mittel- und Ostdeutschen Verband für Altertumskunde (MOVA) zu seiner Jahrestagung nach Jübar ein und bereitete diese Veranstaltung erfolgreich zusammen mit Dr. Günter Wetzel (Vorsitzender des MOVA), Dr. Harald Meller (Landesarchäologe), Ulrich Böther, Andreas Störmer (Sparkassenvorstand) und Carsten Borchert (Bürgermeister von Jübar) sowie Lothar Mittag (Danneil-Museum Salzwedel) vor. 

Der Verein ist Mitglied im MOVA und in der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Früh- geschichte sowie der Archäologischen Gesellschaft von Sachsen-Anhalt. Einige aktive Vereinsmitglieder sind ehrenamtliche Beauftragte für archäologische Denkmalpflege und nehmen in diesem Zusammenhang an den Tagungen und Fortbildungsveranstaltungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie teil.

E in weiterer Punkt ist die Durchführung von Exkursionen, die grundsätzlich zur Fortbildung der Vereinsmitglieder dienen. Sie führen in das In- und Ausland. Bis zur Wende unternahmen die Schüler und Jugendlichen jährlich eine größere Fahrt. Die Ziele waren: 1975, 1978 Polen, 198o, 1986 Tschechoslowakei, 1981, 1984, 1987 Ungarn und 1988 Ungarn und Rumänien. Jetzt führen die Exkursionen in den Herbstferien zu archäologischen Fundplätzen und Museen in ganz Europa: 199o Ungarn, 1993 Schottland, 1995 Italien, 1998 Irland, 1999 Polen, 2ooo Österreich, 2oo2 Dänemark, 2oo4 Südschweden, 2oo6 Südfrankreich, 2oo8 Holland und 2o1o Kroatien. Fast jährlich werden die Ausstellungen im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle besucht.



B ereits seit 1974 kam es zu einer festen Freundschaft mit der Schülerarbeitsgemeinschaft »Junge Historiker« der Schule Kleinau, die der dortige Lehrer Otto Mewes 1968 gegründet hatte. Auch diese Schüler beschäftigten sich mit Flurbegehungen und archäologischen Rettungsgrabungen. Seit 1978 wurden die jährlichen Ausgrabungen mit der Stöckheimer Gruppe gemeinsam durchgeführt. 1991 schlossen sich beide Arbeitsgemeinschaften zu dem gemeinnützigen Verein der »Jungen Archäologen der Altmark e. V.« zusammen. Der Vereinsvorstand würdigte die jahrelange Arbeit von Otto Mewes, indem er ihn zum Ehrenmitglied ernannte.

D ie fleißige und langjährige Arbeit der Vereinsmitglieder, die ihre Freizeit für die Vereinsarbeit opfern, wurde mehrfach durch hohe Auszeichnungen gewürdigt. Im Jahr 1995 konnten wir den ersten Denkmalpreis des Landes Sachsen-Anhalt entgegennehmen. 2oo2 erhielt der Verein den Deutschen Archäologiepreis der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte und 2oo7 wurde die Vereinstätigkeit durch den Deutschen Sparkassenpreis gewürdigt.

5o Jahre – das ist eine lange Zeit, in der es im Leben der Arbeitsgemeinschaft »Junge Historiker« und im nach der Wende entstandenen »Verein der Jungen Archäologen der Altmark e.V.« viele Erfolge, aber auch Schwierigkeiten gab. Vom ersten Tag unserer Arbeit an erhielten wir fachliche Unterstützung durch die Archäologen des Landesmuseums für Vorgeschichte und nach der Wende des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie. Das waren vor allem Dr. Johannes Schneider, Dr. Thomas Weber, Dr. Andreas Hille, Andreas Kurzhals, Dr. Rosemarie Leineweber und Dr. Barbara Fritsch. Besonders in den letzten Jahren standen uns Dr. Fabian Gall und Dr. Jens Schneeweiß als Archäologen zur Seite.

Nach der Wende musste die bisherige Struktur den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst werden. Dass uns dies sehr gut gelang, beweist die Arbeit des Vereins, wenn es jetzt auch immer schwieriger wird, bei dem riesigen Angebot in der Freizeitgestaltung Schüler für die Archäologie zu gewinnen.